Sind wir eigentlich erfolgreich? Läuft unser Betrieb wirklich gut? Der Wunsch nach einer differenzierten Beantwortung dieser Fragen stand am Anfang der Entwicklung des Ludwigshafener Wirkungsmodells. Es ist dabei notwendig zu erwähnen, dass in meinem Arbeitskontext die Kulturpolitik keinen Leistungsauftrag formuliert, aus dem sich klare Kriterien für diese Ansprüche ableiten ließen. Wir mussten also unseren Auftrag im Grunde selbst definieren, und zwar im Spannungsfeld eines hohen künstlerischen Anspruchs und unserer gesellschaftlichen Verpflichtung als öffentlich geförderte Kultureinrichtung. Die kulturpolitischen Rahmenbedingungen sind unser Referenzrahmen im Bewusstsein, dass klassische Musik ihren Platz in der Gesellschaft aktiv bestimmen muss.
Die hohe Komplexität der Vorgänge und Voraussetzungen des Orchesterbetriebs stellen für die Objektivierung von Messkriterien eine große Herausforderung dar. Deshalb ist die Beschränkung auf monetäre Kennzahlen für die Wirkungsmessung so verführerisch. Damit jedoch betrachtet man alles primär in der Retrospektive und spart den Bereich der Weiterentwicklung aus der Erfolgsbeurteilung aus. Aus meiner Sicht eine vergebene Chance, wenn es darum geht, einen Kulturbetrieb erfolgreich Richtung Zukunft zu navigieren.
Unser Modell begegnet der Komplexität des eigenen Systems daher nicht mit Reduktion, sondern erweitert die finanziellen Beurteilungen um die Messung nicht-finanzieller Aspekte. Zentral ist der Anspruch, eine ökonomische, eine ökologische, eine soziale und eine künstlerische Perspektive zu integrieren. Es setzt Vision, Mission und Zweck in Beziehung und macht die Fragen nach dem Was, dem Wie und dem Warum zu wichtigen Wirkungsebenen.
Dazu gliedert es neun Perspektiven (Finanzen, Mitarbeitende, Verantwortung, Entwicklung, Kommunikation, Qualität, Form, Inhalt, Gesellschaft) insgesamt vier Phasen zu. Die ersten beiden Phasen richten sich auf die Effizienz und betrachten eingesetzte Ressourcen hinsichtlich ihrer erbrachten Leistung (Input/Output). Die dritte und vierte Phase beschreiben die Wirkungsebene in unterschiedlichen Zeitdimensionen. Kurzfristige Veränderungsprozesse, die im direkten Einflussbereich der Organisation liegen (Outcome), werden in erweiterter Perspektive (Impact) mit längerfristigen Beobachtungen ins Verhältnis gesetzt, die jedoch nicht direkt von uns beeinflusst werden können. Am Ende steht also die gesellschaftliche Perspektive, mit der sich der Gesamtzusammenhang auf eine Mission bringen lässt.
Damit verschiebt sich der Fokus von Ersparnissen oder der Höhe monetärer Erträge zum Verständnis von Wirkungszusammenhängen. Andererseits können wir auf uns zurechenbare Effekte im Spannungsfeld von Inhalt und gesellschaftlicher Wirkung deutlich identifizieren und kommunizieren. In der transparenten und nachvollziehbaren Darstellung wird eine zukunftsgewandte Leistungs- und Wirkungsmessung möglich.
Das Wirkungsmodell ist für mich ein extrem hilfreiches Tool, nicht nur für die Kontrolle und Steuerung eines hochkomplexen Kulturunternehmens. Es ist insbesondere auch ein unverzichtbares Kommunikationsinstrument in den innerbetrieblichen Prozessen, besonders aber auch in der externen Berichterstattung. Unsere Wirkungsmessung stärkt uns in der politischen Debatte, wenn es um den Stellenwert der Institution geht. Versteht man Relevanz als eine Zuschreibung durch Dritte, so liefert unser Modell in erster Instanz dafür keinen Nachweis. Durch die Evaluierung und Sichtbarmachung von Zusammenhängen bietet unsere Systematik aber eine entscheidende Grundlage, um eine entsprechende Zuschreibung deutlich objektivierbarer zu unterstützen.
Das Bewusstsein für unsere Wirkungsweisen hat die Identitätsbildung der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz beflügelt. Ohne diesen Prozess wäre die Entwicklung unseres neuen Modellprojekts, welches das kreative Potenzial unserer Institution konkretisiert und besser nutzt, nicht möglich gewesen. Die Erfahrung von Selbstwirksamkeit – ob als Einzelakteur:in oder in einem großen Kollektiv – sowie der ständige Ausgleich zwischen Wertschöpfung und Wertschätzung, professionellem Handeln und fortwährender Veränderung wird dabei zum Credo unserer Attraktivität. Somit ist das Ludwigshafener Wirkungsmodell eine Antwort darauf, wie wir diese Realität so abbilden, dass unsere Leistung erkennbar wird und wir uns zukunftsorientiert weiterentwickeln können.
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Beat Fehlmann ist seit September 2018 Intendant der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen. Zuvor hatte er die Intendanz der Südwestdeutschen Philharmonie in Konstanz inne, die auf Stationen bei der Kammerphilharmonie Graubünden und der Philharmonie der Nationen folgte. Er studierte Klarinette, Dirigieren und Komposition sowie Arts Administration an der Universität Zürich. Seit 2020 unterrichtet er zusätzlich an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt das Fach Orchestermanagement. 2022 wurde er für sein innovatives Schaffen mit dem Kulturpreis der deutschen Orchester ausgezeichnet.