Die Diskussion zeigt sehr gut die empfindliche Balance zwischen Freiheit der Kunst und dem Wunsch nach Wirkung in und mit der Kultur – zumal vor dem Hintergrund knapper werdender Ressourcen und dem Auftrag gemeinnütziger Förderer, der Gesellschaft dienlich zu sein. Sicherlich kann der Wunsch nach Wirkung teilweise zur Überforderung bei den Kulturschaffenden oder der Überfrachtung der Werke führen. Der von Frau Prof. Dr. Allmanritter geforderte Dialog zwischen Geförderten und Förderern ist also sinnvoll und notwendig – dazu braucht es Dialogbereitschaft auf beiden Seiten.
Stiftungen sind als Teil des jeweiligen Sektors zu verstehen. Dennoch werden sie oft erst am Ende und nicht am Anfang eines Entwicklungsprozesses gedacht und häufig auf die Rolle des Geldgebenden reduziert. Dabei kann Förderung auch durch andere Ressourcen wie Kontakte, Feedback, Reputation, Nutzung von Räumen, Qualifizierung etc. das gemeinsame Anliegen verstärken. Im Sinne einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit ist für uns die Frage nach Haltung unerlässlich: Gibt es auf beiden Seiten den Wunsch nach Zukunftsfähigkeit, Veränderungswillen, Experimentierfreudigkeit, Offenheit, Respekt vor anderen Einstellungen, Teamfähigkeit und Geduld für Beziehungsaufbau? Und sind diese Werte in der jeweiligen Organisationskultur und bei den Mitarbeitenden bis zur Hausspitze verankert?
Es überrascht nicht, dass sich „das kleine Linz“ als beispielhafter Pionier für die Einbindung von künstlerischen Perspektiven in einen Transformationsprozess der Stadt erweist. Wir als NORDMETALL-Stiftung haben ähnliche Erfahrungen bei Musikfestivals und Museen gemacht: Kleinere, wenig hierarchische Teams, die kreativ, agil, flexibel und in Kooperationen arbeiten (können), sind in ihrer Experimentierfreude manchmal weniger ausgebremst als große Veranstalter oder Häuser, in denen die hierarchische Struktur noch dominiert. Trotzdem werden sie wegen ihrer vergleichsweise geringen Größe meist nicht als die Vorbilder wertgeschätzt, die sie sind. Wir sollten daher unbedingt den kleinen, oft sehr erfolgreichen Institutionen viel Aufmerksamkeit schenken. Nur so können wir von ihnen lernen. Denn wir brauchen in unseren gesellschaftlich herausfordernden Zeiten Vielstimmigkeit und gemeinsame, iterative Lernprozesse. Kulturinstitutionen müssen sich entwickeln und Kompetenzen aneignen, mit denen sie das heterogene Publikum der Gegenwart erreichen und sich gut für die Zukunft aufstellen.
Ich sehe natürlich das Dilemma des von Frau Dr. Jennicke angesprochenen „Beglückungszwangs“, des Sendens und Empfangens bei der Publikumsorientierung. Wir wünschen uns von Kultureinrichtungen ehrlichgemeinte Einladungen an ein heterogenes Publikum, die einem Verständnis guten Gastgebens entspringen und dafür Sorge tragen, dass sich die Besuchenden gemeint und angesprochen fühlen. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, durch kuratierte Netzwerke vertrauensvolle Lernräume zu öffnen, in denen sich die Mitarbeitenden von Musikfestivals oder Museen der eigenen Transformationskraft für Einzelne und die Gesellschaft stärker bewusst und darin bestärkt werden, damit verantwortungsvoll umzugehen.
Die Anregung, in neuen Partnerschaften und Beziehungen mit dem Publikum zu denken, ist deswegen unglaublich wichtig: Nur durch ko-kreative Prozesse kommen wir zu neuen Narrativen, die bedeutungsvoll für den Alltag vieler sind. Wir brauchen die neuen gemeinsamen Erzählungen und Ausdrucksformen, um versöhnlich in die Zukunft zu wirken. Und für dieses Wirken braucht es Ziele und Strategien, aber auch langfristige Förderung und Begleitung von Prozessen, die Veränderungen überhaupt erst möglich zu machen. Dabei bleibt zwingend ein Freiraum offen, weil neue Praxis die Möglichkeitsräume verändert oder auch Erfahrungen des Scheiterns neue Zielstellungen erfordern. Hier können Stiftungen sich als wichtige Partner erweisen, die Risikobereitschaft unterstützen und dadurch Innovation möglich machen.
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Kirsten Wagner ist seit 2011 Geschäftsführerin der NORDMETALL-Stiftung, die in ganz Norddeutschland Talente fördert, Zusammenhalt stärkt, den Norden bereichert und dabei vor allem auf Netzwerke und Kollaboration baut. Zuvor war sie bei der Hamburgischen Kulturstiftung tätig. Ihr Engagement gilt der Verbesserung der MINT-Bildung, der Stärkung des ehrenamtlichen Engagements sowie einer zeitgemäßen Publikumsorientierung bei Musikfestivals und Museen. Darüber hinaus setzt sie sich für wirkungsvollere Förderung durch Stiftungen ein, u.a. im Rahmen des Webtalks Impulse:Stiften und des Landesnetzes der Stiftungen MV.