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Brucknerjahr 2024 – ein kulturelles Großprojekt
Das Musikjahr 2024 stand im Zeichen des 200. Geburtstags von Anton Bruckner und rückte das Schaffen des österreichischen Komponisten auf bisher unerreichte Weise ins Rampenlicht. Mit der OÖ KulturEXPO Anton Bruckner 2024 wurde ein kulturelles Großprojekt realisiert, das den Komponisten für verschiedene Zielgruppen zugänglich machte – analog, digital, im Museum oder auch im Wirtshaus. Mit dem künstlerischen Leiter Norbert Trawöger und Vermittlungsleiterin Lydia Zachbauer kamen wir ins Gespräch.
Wie gelingt es, die Musik und das kulturelle Vermächtnis Anton Bruckners über das Jubiläumsjahr hinaus lebendig zu halten?
NT: Die Brucknerifizierung des Landes ist in einer Breite, Tiefe und erfindungsreichen Vielfalt gelungen, die uns und dem Geburtstagskind kaum jemand zugetraut hat. In einer umfassenden Bewegung und Leidenschaft in der Vermittlung haben wir gezeigt, dass Kultur ein Netzwerkraum fantasievoller Möglichkeiten ist, um Gemeinsames zu erfinden, zusammenzukommen oder zu staunen. Musik führt uns spielerisch ins Feld des schöpferisch Verbindenden, der sich vom Fußballplatz bis zum Konzertsaal spannt.
- Bruckner war und ist unser genialer Komplize!
Wir wollten zu keinem Zeitpunkt ein Gedenkjahr veranstalten, sondern die klischeebeladene, widersprüchliche und gar nicht leicht fassliche Bruckner-Figur in Resonanz mit der Gegenwart setzen. Sich mit Bruckner aus ein – ander zusetzen heißt, uns selbst auf der Spur zu sein, von seiner vielschichtigen oberösterreichischen Biografie her, weg von einfachen Schubladisierungen und von unerträglichen Klischees wie dem „Musikanten Gottes“. Die Krise war für Bruckner der große Moment zum Weitermachen, insofern ist er ein unglaublich moderner Mensch. Die Musik findet ohnehin immer in der Gegenwart statt und auch da waren wir von einem Erfindungsgeist geprägt, der auch in Zukunft keine Grenzen kennen wird.
Große Namen der Kulturgeschichte wirken oft unnahbar. Wie werden solche Persönlichkeiten und Werke zugänglicher?
LZ: Ausgangspunkt für Kultur- und Musikvermittler:innen sind nicht die großen historischen Namen, sondern Menschen im Hier und Jetzt. Das hat den unschätzbaren Vorteil, dass die „Einflugschneisen“ ins Thema ganz individuell, bunt und aktuell sein dürfen. Methodisch ist Multisensorik Trumpf – wir sprechen alle Sinne an, arbeiten interaktiv und interdisziplinär. Inhaltlich führt ein möglicher Zugang direkt über die Musik: Was berührt mich daran, was bringt sie in mir zum Mitschwingen, erinnert sie mich an etwas? Ein weiterer Ansatz sind biografische Bezugspunkte, die etwas mit dem Heute, mit uns zu tun haben: Jede:r von uns war mal ein Kind, war mal in der Schule. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu finden zum Kind und Schüler Anton Bruckner öffnet nicht nur den Blick auf diese eine spezielle Biografie, sondern liefert gleichzeitig soziokulturellen Kontext zu EINER Kindheit im 19. Jahrhundert: Postkarten, die das damals gebräuchliche Kurrentschrift-Alphabet zeigen, helfen Bruckners Briefe zu dechiffrieren, können ein spielerisches Werkzeug zum Entschlüsseln der eigenen Familiengeschichte sein. Wir haben uns in 15 Vermittlungs-Großprojekten für ganz unterschiedliche Dialoggruppen an den eigenen Anspruch herangetastet.
- Rückblickend bin ich froh und dankbar, nicht nur VIELE Menschen erreicht zu haben, sondern vor allem, wie TIEF wir mit ihnen eintauchen durften in diesen Kosmos.
Die OÖ KulturEXPO hat in Oberösterreich mit über 600 Veranstaltungen und circa 660 000 Be sucher:innen nicht nur Bruckners Werk in die Gegenwart geholt, sondern belebte auch die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land, Bildung und Tourismus sowie lokalen Initiativen auf neue Weise und weit über das Jubiläumsjahr hinaus.
https://www.anton-bruckner-2024.at/
Beitragsbild © Margot Haag
Erstveröffentlichung des Beitrags in das Orchester 2/2025 >>